Handbuch für Literaturbegeisterte

Von Actionthriller bis Zeitgeschehen 

Krimi, Liebeskomödie oder Thriller sind uns allen ein Begriff. Doch in ihrem Buch „Buchgenres kompakt – Handbuch der Genres von Actionthriller bis Zeitgeschehen“ stellt uns Anette Huesmann noch viele weitere Buchgenres vor, erläutert ihre Besonderheiten und nennt historische Vorläufer. Mit Hilfe des Handbuchs findest du genau das Buch, das du jetzt gerade lesen möchtest.

Der S. Fischer Verlag fragte kürzlich seine Instagram-Community, welche Tipps sie denn habe, um mehr Bücher zu lesen. Eine häufige Antwort: Genrewechsel! Ich glaube auch, dass es zum ‚Mehrlesen‘ inspiriert, einmal ein Buch zur Hand zu nehmen, das uns für gewöhnlich nicht ansprechen würde. Ich ertappe mich oft dabei, wie ich aufgeregt ein neues Buch aufschlage, doch keinen Zugang dazu finde und den Inhalt trotz aller Mühe nicht aufnehmen kann.

Welches Buch will ich lesen?

Dann frage ich mich, ob es wirklich das Buch ist, das mich nicht anspricht, oder ob es nicht einfach meine Stimmung ist, zu dem das Buch gerade nicht passt. Vielleicht funkt es gerade nicht, weil mir in eben diesem Moment eigentlich nach einem leichten Liebesroman oder einem packenden Thriller ist. Doch, wie kann ich wissen, wie groß die Büchervielfalt ist und was ich möglicherweise verpasse?

Genau hierfür ist das Buch von Anette Huesmann ideal: Ich habe viele Genres kennengelernt, die mir bisher nicht geläufig waren, und vieles dazugelernt. Und festgestellt: Das Stöbern durch die Buchgenres hilft, um das passende Buch für den Moment zu finden.

Genredefinitionen im Wandel der Zeit

Ein besonders schönes Extra sind die historischen Hintergründe, die Anette Huesmann zu jedem Genre liefert; eine Komödie wird heute anders definiert als noch vor 500 Jahren. Oder würdest du bei einem Kriminalroman etwa als erstes an „König Ödipus“ von Sophokles denken?
Die Autorin beleuchtet die Eigenarten der Genres, zeigt, warum und worin sie sich unterscheiden, und diese Einteilungen für uns als Leser*innen hilfreich sind. Das Buch kommt relativ wissenschaftlich daher, wird jedoch dank der historischen Exkurse selbst zu einer aufregenden Lektüre. Ich fand es spannend zu erfahren, wie ein Krimi im 9. Jahrhundert aussieht oder wie das Zeitalter der Aufklärung die Schilderung eines Verbrechens beeinflusst hat.

Raus aus der Komfortzone 

Dass die Geschichte um den berühmtesten Geheimagenten James Bond von Ian Flemming dem Spionagethriller zugeordnet werden kann, hätte ich ahnen können. Doch Anette Huesmann liefert viele mir völlig unbekannte Genres: Ich habe noch nie vom Hartboiled Krimi gehört oder wäre nie auf die Idee gekommen, dass es ein Subgenre namens „Der verschlossene Raum“ gibt.

Jedes Genre wird in vier Aspekten beschrieben: Charakteristik, Entstehung, Besonderheit, Aktuelle Beispiele. Das macht es einfacher, kleine, feine Unterschiede zwischen diesen vielen Genres zu erkennen. So weiß ich jetzt, dass einer meiner Lieblingsromane, Schuld und Sühne von Dostojewski, ein Vorläufer des Genres „Invertierte Detektivgeschichte“ ist. Dieses ist dadurch charakterisiert, dass der Täter schon zu Beginn feststeht; es geht nur noch darum, ob und wie er gefangen werden kann. Ich selbst hätte den Roman wohl kaum diesem Genre zugeordnet, denn ich habe mich bisher nicht für eine Liebhaberin von Detektivgeschichten gehalten.

Missverständnisse ausräumen

Auch das ist ein Punkt, auf den Anette Huesmann eingeht: Sie räumt mit Missverständnissen hinsichtlich Genres auf; durch die Darstellung von Genre und Subgenre wird erst die Vielfalt deutlich. Der mexikanische Schriftsteller Carlos Fuentes soll einmal gesagt haben:

„Don’t classify me, read me. I’m a writer, not a genre.“

Obwohl das Buch von Genres handelt, weist die Autorin darauf hin, dass eine Genre-Zuordnung zum Teil durchaus willkürlich ist. Deswegen sollten wir uns beim Lesen nicht streng an unser Lieblingsgenre halten, uns also nicht zu sehr darauf versteifen, ein Buch zu klassifizieren, sondern es einfach genießen.

Lesen, was gefällt

Das Motto „Lesen, was gefällt“ lässt etwas anderes gar nicht zu, gerade weil eine Geschichte die Charakteristika mehrerer Genres enthalten kann. Dennoch ist es schön, einen Überblick über die Genre-Vielfalt zu bekommen, und dank aktueller Beispiele, die Anette Huesmann zu jedem Genre mitliefert, können wir uns direkt ins Lesevergnügen stürzen.

Nach der Lektüre kann ich nun gezielter nach Geschichten suchen, auf die ich als Literaturbegeisterte gerade Lust habe. Das Handbuch ermöglicht einen leichten Zugang zu den unterschiedlichen Formen literarischer Gattungen. Daher kann ich es auch allen, die in die Literatur einsteigen wollen, ans Herz legen.

So dürften sich Liebhaber von Utopien oder Dystopien vielleicht brennend dafür interessieren, ob Thomas Morus’ Utopia in eines dieser Genres einzuordnen ist oder nicht. Anette Huesmann nennt „Das Buch von der Stadt der Frauen“ von Christine de Pizan als ersten Vorläufer utopischer Romane. Das könnte ich nun tatsächlich einmal lesen!

Text und Fotos: Evin Ay 

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