Steinreich in den Ferien

Los geht’s. Hier an Ort und Stelle. Ich öffne die Tür und schnuppere frische Luft. Der Tag gehört mir. Ich mache mich auf den Weg, setze in Seelenruhe einen Fuß vor den anderen. Atme. Ein. Aus. Im natürlichen Rhythmus. Ohne Eile. Es sind Ferien. Ich reise mit leichtem Gepäck: einem Stift und einer kleinen Kladde. Sie wiegen nichts, aber können eine Menge tragen: jede Menge Gedanken und Wortbilder, die ich heute aufsammle.

„Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.“ (Johann Wolfgang von Goethe)

Mein Weg führt durch Wiesen und Felder, ich spüre, wie der Boden unter meinen Füßen lebt, sich mit jedem Schritt verändert. Und stolpere über einen Stein. Autsch. Plötzlich wieder hellwach!  Ich nehme ihn auf, den ‚Stolperstein‘, der mich sicher nicht zu Fall bringen möchte, sondern vielleicht eine Botschaft für mich hat. Was will er mir sagen?

Ich beäuge ihn kritisch. Eigentlich unscheinbar, mein kleiner, grauer Stein. Aber groß genug, um meine Aufmerksamkeit voll und ganz auf sich zu ziehen. Bis eben hatte er noch völlig unbeachtet auf dem einsamen Weg gelegen. Nun umschmeicheln meine Finger seine glatte Oberfläche.

Tolle Energie!

„Klar, wenn man dran glaubt“, flüstert mein innerer Skeptiker mir ins Ohr. Ich lausche. „Ist doch einfach nur ein grauer Stein, ein Wegelagerer ohne besonderen Charme. Kein Edelstein, kein Heilstein. Eher einer der Sorte ‚gemeiner Kieselstein‘.“ „Völlig wurscht“, kontert meine Intuition: „Es ist Dein Stein. Er und kein anderer!“ Also suche ich mir einen guten Ort zum Schreiben. Und gebe ihm und mir eine Chance. Vielleicht machst du es genauso: Finde deinen Lieblingsstein und entdecke, was in ihm steckt:

1. Mach dich mit ihm vertraut und überlege dir eine Frage, die du ihm stellen willst. Zum Beispiel: Lieber Stein, . . .

• Welche Botschaft hast du für mich?
• Warum stolpere ich gerade jetzt über dich?
• Warum liegst du hier so herum – und tust gar nichts?
• Hast du ein Geheimnis, das du mir verraten möchtest?

2. Entscheide dich für eine Frage und schreibe sie so konkret wie möglich auf:

„Lieber Stein, . . . “

3. Nun lässt du den Stein antworten und schreibst auf, was er dir zu sagen hat:

Schreibe spontan und ohne nachzudenken. Lass die Wörter fließen, bis du spürst, dass alles ‚gesagt‘ ist, was hier und heute Relevanz hat. So schaffst du den Perspektivenwechsel zu der Frage oder dem Thema, das dich bewegt.

4. Und erlebst vielleicht eine echte Überraschung

… wenn du deinen Text liest. Lies ihn dir selbst laut vor. So hörst du selbst, was du geschrieben hast.

• Welches Geheimnis hat der Stein dir verraten?
• Welche (neue) Erkenntnis hast du gewonnen?
• Welche Erfahrung/Geschichte steckt in deinem Stein?
• Wie und wo erkennst du dich selbst?

5. Du kannst das Gespräch mit deinem Stein (jederzeit) fortsetzen.

Vielleicht möchtest du etwas erwidern oder mit ihm in den Dialog gehen?

6. Vielleicht begleitet der Stein dich noch eine Weile.

Oder du legst ihn mitsamt deinem Text an die Seite. Das Geschriebene wirkt nach oder du hast dir etwas von der Seele geschrieben, was du nun vergessen darfst und möchtest. Und du kannst erleichtert oder entlastet deine Ferien oder den Alltag genießen und dich neuen Abenteuern zuwenden. Dein Lebensweg legt dir garantiert noch andere Bodenschätze in den Weg, die dich mit viel Glück steinreich machen.

Foto: Ute Adam 

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